Das Atelier der Nidwaldner Künstlerin Brigitta Würsch in Luzern ist in zwei Räume aufgeteilt. In dem einen finden sich der Computer und das Werklager, in dem anderen die installativen Anordnungen wie der grosse Presstisch, Pigmentproben und verschiedene Gegenstände. Die ausgebreiteten Dinge sind Ursprung des künstlerischen Schaffens, in dem sich die haptische Dimension der Malerei mit dem digitalen flüchtigen Medium des Videos verschränkt.
Der Titel der Ausstellung im Benzeholz Raum für zeitgenössische Kunst Meggen „shangri-la & sangria“ steht geradezu als Inbild für die Verschränkung zwischen dem saftigen, realen Leben und der puren Vorstellung. Während shangri-la einen Ort des Paradieses bezeichnet, der irgendwo im Himalaya liegen soll und eher in der Vorstellung existiert, bezeichnet sangria eine spanische Weinbowle, dessen Begriff mit dem Aderlass verbunden ist. Um dieses Spannungsfeld zwischen Leben und Vergänglichkeit sowie zwischen extremer Körperlichkeit und der Freiheit der Gedankenwelt gruppieren sich die neu für die Ausstellung entwickelten Werke.
Mit dem Pfeifermobil war Brigitta Würsch 2012 im Engadin und über verschiedene Alpenpässe unterwegs und hat vor Ort Pflanzen gesammelt und gepresst. Zurück in ihrem Atelier hat sie ihr Experimentierfeld vergrössert und verschiedene Pflanzen und Früchte auf einem Presstisch verarbeitet. Beim Pressen werden Säfte frei, die sich teilweise unkontrolliert zwischen den zwei Papierdeckeln bewegen. Die Bilder zeugen von dem ausgeflossenen Lebenssaft und sind damit auch gleichzeitig Boten der Vergänglichkeit. Sie lassen uns mit Rätseln zurück, welche Pflanzen wohl solche Spuren oder Farben hinterlassen haben. Zudem arbeitet die Künstlerin an den aus dem Pressvorgang gewonnenen Bildern weiter, überzeichnet sie oder scannt sie ein und druckt sie in vielfacher Vergrösserung wieder aus. Aus den der Vergänglichkeit verpflichteten Pflanzen entsteht etwas Neues, es entstehen Spuren, welche an Gewebe, Gerippe oder auch an Landkarten erinnern.
Für die erstmals im Benzeholz gezeigte Videoprojektion arbeitet Brigitta Würsch mit der Verfremdung von real aufgenommenem Material: ein verdorrter Baum mit freigelegten Wurzeln und wenigen Blättern, von den Ästen hängt ein stilisierter Pferdekopf. Die blau eingefärbte Szenerie von Schatten- oder Umrissfiguren bewegt sich räumlich vor dem Betrachter, wird überlagert von Zeichnungen, nimmt verschiedene Ebenen an. Teilweise taucht wie in einem Traum ein weisses Pferd auf. Das Haptische der vormaligen Pflanzenwelt ist hier weitgehend in ein ideelles Blau – dasjenige von Yves Klein – getaucht, das vielmehr die Freiheit unserer Vorstellung in den Vordergrund rückt und eine Reise in innere Welten anberaumt.
Text: Annamira Jochim
Bilder: Ralph Kühne