Unter dem Titel „metamorphosen“ treffen die künstlerischen Positionen von Pascal
Bracher (*1980) und François Bucher (*1946) aufeinander. Mehrere Generationen
umfassend, greifen die beiden Künstler mit verschiedenen Ausdrucksmitteln eine ähnliche
Thematik auf. Die Qualität von Tieren verschiedene Entwicklungsstadien durchzumachen
wird in der Zoologie mit Metamorphose bezeichnet. Die Verwandlung ist aber auch ein den
Menschen über Jahrhunderte immer wieder aufs Neue faszinierendes Motiv wie die Viel?zahl der Mythen und Märchen zeigt. Von Ovid über Goethe und Kafka haben sich Schrift?steller und Bildende Künstler mit diesem Kunstgriff der Natur auseinandergesetzt.
Der Ausgangspunkt von Pascal Brachers künstlerischer Arbeit ist ein breit angelegtes Bildarchiv aus eigenen Fotografien und gesammelten Medienbildern aus Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und dem Internet. Die gesammelten Bilder dienen dem Künstler einerseits als Vorlage oder Idee für die Umsetzung einer Stimmung in Performance, Zeichnung, Malerei oder Fotografie. Andererseits verwendet der Künstler diese Bilder für Gegenüberstellungen, Überblendungen und Collagen. Im Nebeneinander oder in der Über?lagerung werden die Bilder in einen neuen Kontext gestellt; es entstehen Entfremdungen, Umwandlungen und Neuformulierungen. Anthropomorphe, zoologische und kultur?historische Motive treffen aufeinander, auffallend sind Übergänge zwischen Mensch und Tier. So nimmt beispielsweise ein Vogel zwei ineinander verschlungene Menschen in sich auf oder ein Elefantenkopf wird in einen Anzug gesteckt; Körperbemalungen oder Fell?strukturen gehen ineinander über. Existentielle Züge, wie die Suche nach Zuneigung, Anerkennung und Überlebenskampf, sowie mythologische und fiktive Vorstellungen eröffnen ein vielfältiges Bezugsnetz.
François Bucher greift auf kunsthistorische und mythologische Erzählungen zurück, die nicht nur in der Thematik sondern auch in der bildnerischen Sprache zum Vorschein kommen. So wird etwa mit dem Ritzen in Glas nicht nur die Geschichte von Albrecht Dürers Rhinozeros erzählt, sondern darüber hinaus auch an die von diesem Künstler verwendete Drucktechnik erinnert. Wie in früheren Werken – zu nennen wäre hier die 1983 für das Kunstmuseum Luzern aus Tonelementen hergestellte Schildkröte oder die aus verschie?denen Materialien hergestellte Serie von Nilpferden (2007-10) – überträgt der Künstler handwerkliche Techniken in einen grösseren Massstab und erforscht die Dimensionen, Bearbeitungs- und Transformationsmöglichkeiten von Materialien. Im Umgang mit Glas, Bitumen, Wachs, Metall oder Ton kann eine Verwandtschaft zu Arte Povera Künstlern sowie zu Alchemisten gezogen werden. Seit einiger Zeit verleiht François Bucher dem Papier einen metallenen, geradezu silbernen Charakter. In Verbindung mit dem Französischen „argent“ zeigt sich wie der Künstler das Wortspiel auf humorvolle Weise in seine Arbeit integriert. Sein jüngstes Werk spielt mit „cent titres“ gleichzeitig an den in der Kunst verbreiteten Titel sowie an Obligationen oder Aktien an. Die Transformation von Materialien und Lebewesen ist ein konstantes Thema von François Bucher, neben Fossilien und Ablagerungen spielen immer wieder Tiere eine Rolle, welche den Übergang von Wasser und Land markieren.
Text: Annamira Jochim
Bilder: Ralph Kühne