Seline Baumgartner, Lisa Biedlingmaier, Marianne Halter, Mario Marchisella, Thérèse Nylèn, Cecile Weibel
Tanzen ist eine gesellschaftsbildende Aktivität. Es braucht immer ein Gegenüber oder eine Gruppe, um tanzen zu können, beim Volkstanz wie beim Paar- oder sogenannten Gesellschaftstanz. Vergleichbar mit Ritualen, welche häufig ebenfalls mit Körperbewegungen und Musik verbunden sind, werden Tänze über Jahrhunderte überliefert. Demgegenüber ist die Disco ein Beispiel modernen Lebens, bei dem das Individuum zwar nicht mehr auf einen bestimmten Partner angewiesen ist, sich aber gleichzeitig in der Masse auflöst. Und auch da gibt es Gruppierungen nach bestimmten Moden, Musikstilen und Erscheinungen.
Tanz könnte als soziale Plastik verstanden werden, da die Tanzform gesellschaftliche Normen widerspiegelt. Die Art und Weise der Bewegung und der zwischenmenschliche Umgang sagen etwas über das gesellschaftliche Umfeld oder die Herkunft des Tanzes aus. Welche Kodierungen werden mit dem Tanz zum Ausdruck gebracht? Was, wenn die Überlieferung abbricht? Wenn eine Person die Tänze nicht kennt oder keine Lust auf das Spiel hat? Wenn digitale Methoden der Kommunikation die direkte körperliche Auseinandersetzung ablösen? Diesen Fragen möchte die Ausstellung „komm tanz mit mir“ mit Videoarbeiten, Performances und Installationen nachgehen.
Die ausgewählten Werke der Künstlerinnen und Künstler Seline Baumgartner, Lisa Biedlingmaier, Marianne Halter, Mario Marchisella, Thérèse Nylèn und Cecile Weibel greifen auf unterschiedliche Weisen Tanz und sein gesellschaftliches Potential auf. Die Gruppen- und Gesellschaftsbildung wird in der Videoprojektion „Trial 1-3“ von Seline Baumgartner zum Thema. Von Personen unterschiedlicher Herkunft werden Spiele vom Hahnenkampf bis hin zur Reise nach Jerusalem ausgeführt, deren Regeln und Zusammenhang aber nie ganz erkennbar werden. Durch die Reduktion des Hintergrundes und des in schwarz-weiss gehaltenen Videos wird die Szenerie abstrahiert und auf eine soziokulturelle Formel gebracht.
In „The sky is the limit“ von Marianne Halter und Mario Marchisella geht ein Minnesänger in einem Villenquartier von Johannesburg von Mauer zu Mauer und erhebt seine Stimme, um vermeintlich eine Angebetete zu ersuchen. Die Mauern stehen zugleich als gesellschaftliche Abgrenzung, welche schwer zu durchdringen ist, und als Bild der dahinter lebenden Menschen. Gleich einer Modellsituation wird in „Notte di ballo“, ebenfalls von Marianne Halter, auf eine kleineBildfläche eine Bühnensituation projiziert. Dort wird aber nicht die im Titel angekündigte Ballnacht aufgeführt, vielmehr werden gewisse Rahmenbedingungen wie Licht und Ton ausprobiert. Die als Fernsehsendung aufbereitete Videoarbeit „Ninka’s Institute for Democracy“ von Lisa Biedlingmaierstellt grundsätzlich Tradition und ihre Aktualität in Frage. Ein Beispiel dafür ist der über Jahrhunderte tradierte Volkstanz von Georgien, den die Künstlerin mit demokratischen Elementen zu erweitern versucht.
Zum Abschluss der Ausstellung spannt Cecile Weibel mit ihrer Performance und Videoinstallation „midibach“ den Bogen vom Barock bis heute: Zu einer elektronischen Version des Brandenburgischen Konzerts von Johann Sebastian Bach wird zuerst in Reifenrock und Perücke, dann entblösster in Mieder oder Weste getanzt und popig ins Mikrofon gesungen. Die Szenen bewegen sich zwischen Freizügigkeit und Zwang, zwischen alt und neu, sind unheimlich und anziehend zugleich, zeigen den Körper oder maskieren ihn. Eine klare Zuordnung ist nicht möglich, vielmehr werden Ambivalenzen aufgerufen.
Neben den Videoarbeiten werden im Lauf der Ausstellung Performances das Thema aufgreifen: An der Vernissage wird sich Thérèse Nylèn in ihrer Choreographie „opening rites“ mit Initiationsriten und Übergängen in der Gesellschaft beschäftigen. Am 5. Juni wird eine Version des „midibach“ von Cecile Weibel aufgeführt und am 19. Juni gibt die Regionale Trachtentanzgruppe Volkstänze der Zentralschweiz zum Besten.
Text: Annamira Jochim
Bilder: Ralph Kühne