11.03.-01.05.2022

Mit Kathrin Affentranger (*1987 in Flühli/Sörenberg) und Pat Treyer (*1956 in Luzern) stehen sich zwei Positionen unterschiedlicher Generationen gegenüber. Ihnen gemeinsam ist nicht nur eine beständige und fokussierte Arbeitsweise. Verbindend ist auch die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Körpers.

Kathrin Affentranger

Kathrin Affentrangers Arbeitsweise ist stark von der körperlichen Erfahrung geprägt. Die Künstlerin versucht nicht allein über den Verstand Neues zu erlernen, sondern über die stetige Wiederholung: Sie greift ein Motiv oder eine Technik immer wieder aufs Neue auf, erprobt und wiederholt solange, bis ihr ganzer Körper die Bewegung ganzheitlich erfasst. Davon zeugen die Objekte im Dachstock. Sie folgen alle demselben Prinzip, weisen jedoch unterschiedliche Oberflächenstrukturen auf, worauf die Spuren des abtastenden Vorgehens ersichtlich werden. Wie frisch aus dem Ofen liegen sie auf dem nackten Boden. In Zusammenhang mit dem Titel «Fruits of Love and Pain» erscheinen sie als Hybride: An Früchte oder Tannenzapfen erinnernd, mögen sie ein Endprodukt eines Wachstumszustands darstellen. Als wären sie kürzlich vom Baum gefallen, gar auf der Kippe von Reife zum Verfall. Als «Früchte des Schmerzes» mag das fruchtig Frische aufgrund seiner handlichen Form aber auch zu einer potenziellen Gefahr mutieren.

Sowohl der meditative Zustand, der sich während den repetitiven Tätigkeiten einstellt wie
auch Klarheit, Beharrlich- und Beständigkeit sind bei Affentranger zentral. Dies offenbart die Arbeit «Growing Object» – eine wachsende Skulptur, die 2009 ihren Anfang fand. Täglich kreiert die Künstlerin die immergleiche Zeichnung auf dasselbe Papierformat, welches sie auf der Rückseite mit dem Datum des Tages versieht. In seiner Gesamtheit pendelt das Werk zwischen Objekt und persönlichem Tagebuch. Im Erdgeschoss sind Arbeiten der fortlaufenden Serie mit dem Titel «Lovestories» (2020-ongoing) zu sehen. Diese werden bewusst ohne schützendes Glas gezeigt, womit möglichst wenig zwischen den Werken und den Körpern der Betrachter*innen steht. Auf abstrakte Art und Weise zeigen sie Gesten, Gefühlszustände oder Liebesrelationen. Gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen bergen sich für Affentranger Ambivalenzen: Lust, Liebe, Zärtlichkeit, Anziehung, aber auch Reibung, Konfrontation und Schmerz. Die Darstellungen fungieren als Projektionsfläche für eigene Wünsche und Bedürfnisse.


Pat Treyer

Pat Treyer malt mit pastosem und kräftigem Farbauftrag vorwiegend Frauenfiguren. Im Benzeholz begegnen die Besucher*innen einer Runde von ausdrucksstarken Frauen, die –einer Lagerfeuerrunde ähnlich – im Kreis sitzen. Sie sind nackt und blicken uns unverblümt entgegen. Doch wer schaut hier wen an? Nehmen wir ihre Posen als anstössig wahr? Von den Gemälden umzingelt, scheint der Moment des gegenseitigen Betrachtens ins Voyeuristische zu kippen - strahlen die Figuren zu Beginn etwas Bedrohliches aus, können sie im nächsten Augenblick bereits versöhnlich wirken. Treyer interessiert sich für die Verortung vom Menschsein – ob als Frau, als Mann oder irgendwo dazwischen. Ausgangspunkt ist dabei immer ihre eigene Befindlichkeit und das Gefühl Frau zu sein. Aus dieser Position heraus zeigt sich die Künstlerin selbst. In ihren figurativen Malereien fliesst immer wieder feiner Humor mit ein. So mag auch die Abbildung des Esels ein Schmunzeln erzeugen. Was er in der Runde zu suchen hat? Einer Schnecke gleich trägt er ein Haus auf seinem Rücken. Mit einer tröstenden Geste mag er uns daran erinnern, dass wir im eigenen Körper stets unser Zuhause finden können.

Im Dachstock begegnen die Besucher*innen einer raumhohen Zeichnung, die Pat Treyer vor Ort erstellt hat. Anders als die farbigen und mehrschichtigen Gemälde im ersten Stock, hinterlässt die weisse Figur auf dunklen Grund einen fragilen Eindruck. Als Kreidezeichnung schliesst sie den flüchtigen Moment mit ein. Im Gegensatz zur Frauenrunde ist die Figur jedoch nicht eindeutig zuordbar. Stosst sie sich etwas in den Mund oder wird sie gar zum Schweigen gebracht? Die Künstlerin gibt uns keine klaren Antworten. Vielmehr lädt sie dazu ein, uns eben diesen Unklarheiten nicht zu entziehen.


Pat Treyer, die ihr Studium 1981 an der Schule für Gestaltung in Luzern abgeschlossen hat, bringt viel Ausstellungserfahrung mit. Die Künstlerin hat in den letzten Jahren nicht nur ausgiebig gemalt, ihr Schaffen wurde 2020 weiter mit dem Werkbeitrag des Kantons Luzern gewürdigt. Die Künstlerin lebt und arbeiten in Adligenswil.Kathrin Affentranger schloss ihr Masterstudium 2014 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg ab. Bereits nach ihrem Bachelorabschluss an der Hochschule für Künste um 2012 in Bern erhält sie den Kunstpreis der Nationale Suisse. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Zürich.

Download Flyer

Text: Katrin Sperry
Bilder: Ralph Kühne