Die Ausstellung «Light up» von Tatjana Erpen und Denis Twerenbold zeigt fotografische Bilder in einem weit gefassten Spektrum von der Analogfotografie bis hin zum mit dem Handy aufgenommenen Bewegtbild oder der online bestellbaren Tapetenwelt. Der Titel verweist sowohl auf die Lichtspur als Ursprung der Fotografie als auch auf das bewusste Setzen von Licht als Aufhellen oder Betonen von bestimmten Situationen. Mit der Art und Weise wie Licht auf etwas geworfen wird oder von etwas reflektiert, werden Objekt und Standpunkt in den Fokus gerückt oder hinterfragt. Mit dem bildnerischen Medium eine Fragestellung zu eröffnen, ist den beiden Kunstschaffenden gemein.
Beim Betreten der Ausstellung wird das Publikum von allen Seiten von Neongelb reflektierenden Tieren umgeben und von der Leuchtkraft beinahe angesprungen. Einsam schwimmt ein Schwan auf dunklem Grund, Möwen fliegen auf und Delphinköpfe scheinen aus dem Wasser aufzutauchen, ein Zebra flaniert vor einer Mauer und ein Hund blickt erhöht von einem Stuhl aufmerksam in die Runde. Auch wenn sich einige der abgebildeten oder aus Keramik geformten Tierarten mit dem Blick auf den See assoziieren lassen, wirken sie fremd und aus dem Kontext gerissen. Dies hat zum einen mit ihrer surreal anmutenden Farbigkeit zu tun und zum anderen mit dem Bruch zwischen wilder und domestizierter Tierwelt. Denis Twerenbold arbeitet gern mit der Verschiebung von Wahrnehmung, indem er beispielsweise in die Entwicklung der Fotografie eingreift oder indem er den Belichtungsprozess manipuliert. Das analoge Verfahren der nachträglichen Bildkolorierung steht hier im Gegensatz zum Pop des Neongelbs.
Was sind das für Bilder? Manipulationen werden offensichtlich, nicht nur des Bildes, vielmehr erinnern die gelb reflektierenden Tiere auch an in der Wissenschaft vorgenommene Genmanipulationen. Mittels der Quallen-DNA wurde die fluoreszierende Fähigkeit auch anderen Tieren eingesetzt, was sich im Roman «Elefant» von Martin Suter niederschlägt, der Denis Twerenbold unter anderem zu diesen Tierbildern animiert hat. Der auf neongelbem Grund reflektierende Kreis kann zum einen mit dem Schirm der Qualle in Verbindung gebracht werden und zum anderen eröffnet die abstrakte Form weitere Verbindungsmöglichkeiten und schlägt den Bogen zur Faszination für die Reflektion. Diese wird im Video «aesculus» im Dachstock auf andere Weise erlebbar. Der Titel lautet nach dem lateinischen Namen für Rosskastanie, deren Substrat aus Rinde und Samen als optische Aufheller für Wäsche benutzt wurde.
Tatjana Erpen ist bekannt für ihre Fotografien, Projektionen oder Siebdrucke in Schwarz-weiss. Sie abstrahiert die Bilder, ganz gleich ob es sich um eigene oder gesammelte Bilder handelt, entlehnt sie ihrem Kontext und öffnet so deren Bedeutungsspektrum. Im mittleren Stock vom Benzeholz zeigt Tatjana Erpen erstmals Videoprojektionen oder auch Videos auf kleinen Monitoren in Farbe. Dennoch erscheinen die in Tansania in Auftrag gegebenen Bilder einfach und in nüchterner Farbigkeit. Ein Kürbis wird von Hand gedreht, ein Krebs läuft über den Sand, eine Hand zeigt den mit Tinte markierten Finger, eine Kamera folgt dem Stamm einer Palme in die Wipfel, auf einem Monitor werden Briefumschläge gefaltet. Es sind Bilder von alltäglichen Tätigkeiten oder Gegenständen – sie werfen Licht auf etwas und doch bleibt die Bedeutung in der Schwebe. Die Bewegung des Kreisens und Beleuchtens wird begleitet vom rhythmisch wiederkehrenden Geräusch des Licht An- und Ausschaltens einer hellen und einer dunklen Hand in zwei nebeneinander projizierten Videos. Mit dieser einfachen Geste wird sowohl der Zyklus von Tag und Nacht aufgegriffen, der zwischen Tansania und der Schweiz ständig variiert, als auch der Moment der Dämmerung.
Als Kontrast zu den Videos erscheint der nach Innen gekehrte Raum mit farbigen Postern von Vorbildern wie Popstars und mit dem teilweise tapeziertem Palmenstrand, der ähnlich in Fotostudios in Tansania zum Einsatz kommt. Der Titel der Installation «Light up» greift die Bezeichnung einer App auf, welche in die auf weisse Gesichter genormte Technik eingreift und dunkle Gesichter aufhellt. Ein tolles Werkzeug, das die omnipräsente Verschiebung von Inhalten und Perspektiven deutlich macht. Die Übersetzungsversuche der Suaheli-Texte mittels Google Translate auf den Monitoren unterstreichen die Fragilität von Wissen, welche sich auch in der Ambivalenz von scheinbar bekannten und fremden Ikonen zeigt.
Aus den Worten und Bildern im Raum ergibt sich eine Collage von Wissen, die in gewisser Weise ähnlich wie die Palmenwelt im Wohnzimmer immer auch eine Fiktion ist.
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Text: Annamira Jochim
Bilder: Ralph Kühne