Gabi Fuhrimann / Rahel Scheurer. Nach Innen Sehen

28.08.-10.10.2021

Gabi Fuhrimann (*1958) und Rahel Scheurer (*1987) gehören zwei Generationen an. Gemeinsam ist den beiden Künstlerinnen die Suche nach einem neuen Ausdruck in der figurativen Malerei, das Verwenden von unkonventionellem Malgrund und die Entgrenzung des Bildes. Beide schöpfen aus persönlichen Erlebnissen: während sich Gabi Fuhrimann Frauenfiguren annimmt, wimmelt es in der Malerei von Rahel Scheurer von Tieren, die menschliche Charaktere darstellen und deren Geschichten fiktionalisieren.

Gabi Fuhrimann

Das Bild der Frau steht in der Malerei von Gabi Fuhrimann im Zentrum. Die Frauenfigur, meist allein stehend, blickt aus dem Bild heraus oder in dieses hinein. Angeschnitten oder sehr knapp in die Bildfläche eingepasst sprengt sie in mehrfacher Hinsicht den Rahmen des Bildes. Sie tritt aus dem Farbmuster heraus und behauptet sich. Dabei spielt das Kleid, aus dem sich eine Persönlichkeit schält oder in das hinein sich eine Person zurückzieht, eine besondere Bedeutung in der Malerei von Gabi Fuhrimann. Das Muster – Bekleidung der Frau, konkrete Malerei – bindet die Figur in die Fläche, deutet Schichten an und eröffnet schliesslich eine Beziehung zwischen Figuration und Abstraktion.

Farbtupfer und Fragmente brechen die Ordnung auf und zeigen die Malerei als Prozess. Die Künstlerin nimmt die Betrachtenden mit auf die Suche nach einem Bild. Demgegenüber bietet das Holz dem Pinsel Widerstand und lässt die Malerei zu einem Objekt werden. Die teilweise beidseitige Bemalung der Tafeln oder die Verwendung von Gebrauchsholz wie Schranktüren steigert das Objekthafte.

Das Prozesshafte wird in den Aquarellen auf andere Weise sichtbar. Zwischen Zonen von Pflanzen und Ornamenten, Architekturen, Stoffen oder auch Fragmenten von Körpern bleibt das Weiss des Papieres sichtbar. Die aus dem Weiss auftauchenden Elemente verbinden sich lose durch Farben, Blicke, Perlen oder Ranken. Auch Worte deuten auf die Gedankenwelt hin. Gemeinsam ist den ausgewählten Aquarellen der Blick: Augenpaare nehmen eine Liaison auf, laden zur Bilder-Gedanken-Reise ein, verführen oder fordern heraus. So leicht und scheinbar beiläufig die Zeichnungen wirken, sie transportieren Inhalt, stellen Fragen und weisen auf die Fragilität und Unabgeschlossenheit des Seins.

Rahel Scheurer

In der Malerei von Rahel Scheurer lauern in unterschiedlichen stofflichen und pikturalen Qualitäten Tiere und Menschen. Sie verbreiten eine Stimmung zwischenmenschlichen/-tierischen Seins. Einerseits wird eine Mensch-Tier-Beziehung vermittelt und andererseits spiegeln sich in den gemalten Hunden, Katzen und Hasen Menschen aus dem persönlichen Umfeld. Gleich Porträts geben sie wesentliche Züge wieder und erzählen von Geschichten und Erlebnissen.

Nicht nur die Figuren sind Träger von Emotionen. Vielmehr eröffnen die Szenerien, Farben und malerischen Merkmale ambivalente Stimmungen. Die romantische Waldlandschaft scheint nicht geheuer, könnte sich doch eine schwarze Katze oder eine Krimigeschichte dahinter verbergen. Die von Postern abgekupferte scheinbar heile Welt verschwindet in einem über alles hinweggleitenden rosaroten Farbton und dem auswischenden Pinselgestus. Auch die Bilder mit den Hunden an der Leine – so verschieden sie in ihrer Materialität sind, fotorealistisch und in reduzierter Farbigkeit – bergen ein Kippmoment und vermitteln zugleich seltsame Nähe und Distanz zwischen Tier und Mensch.

Die Dramatik der Bilder lässt an filmische Szenen denken und wird durch den Windgenerator verstärkt, der den «Fellbaum» zum Zittern bringt. Das Fell wiederum bringt eine reale und surreale Materialität in den Ausstellungsraum, welche in den Bildern durch Pinselstriche und dichten Farbauftrag fingiert wird. Die szenische Erfahrung unterstützt die in den Bildern provozierte Spannung zwischen Realität und Fiktion.

Ähnlich wie in Gabi Fuhrimanns Malerei entsteht auch hier ein Changieren zwischen malerischen Strukturen, stofflichen Qualitäten und der Figuration. Darüber hinaus sucht Rahel Scheurer nach einem räumlichen Zusammenhang zwischen den Bildern und lässt diese über ihren Rahmen hinauswachsen. Alltag und Fiktion stehen in einem untrennbaren Wechselspiel.

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Text: Annamira Jochim
Bilder: Ralph Kühne