Lichte Schneekugeln türmen sich übereinander, wachsen in den Himmel. Fragil und unendlich sich fortsetzend überragen sie die massive Bergwelt. Uhrenmotive werden zum Ornament, eine Schnecke kriecht durch die nächtliche Metropole, ein Skelett speit Feuer, ein Schneemann brennt, dazwischen Maria mit Kind und Früchten vor einer sich spiegelnden Kugel. Auf einem leuchtenden Globus zeigt sich das Wort «Ozean». Ein Vogel sitzt auf einem Ast, am unteren Bildrand sind Erbsen aufgereiht: Hinterlassenschaften oder wartend auf eine Aktion?
Irene Bisang setzt ihre Figuren und Kompositionen sehr präzis, mit kaum sichtbarem Pinselstrich in Öl und Acryl auf Holz oder auf Leinwand. Ihre Kompositionen sind austariert und ziehen durch ihre Schönheit, die kecke Kombination von scheinbaren Gegensätzen oder das Offenlegen von Tabus die Aufmerksamkeit auf sich. Nach dem Augenschein der Verführung beginnt bei der Betrachtung die Reflexion. Die Themen der Bilder umkreisen den Menschen. Vergänglichkeit, Leben und Tod, Natur und Kunst, Traum und Alptraum sowie christliche Symbole, Sexualität und Fruchtbarkeit bilden die Narrative. Tiere, insbesondere Vögel, tauchen immer wieder in den Bildern auf. In neue Kontexte eingebunden wie beispielsweise die auf dem Lippenstift durch die Luft fliegenden Vögel, scheinen sie Emotionen und Stimmungen zu übermitteln.
Neben den Themen sind auch Formen und Farben verbindende Elemente zwischen den Bildern. Insbesondere das Königsblau kombiniert mit einem warmen Orange bilden den Grundton im mittleren Stockwerk. Dem sprudelnden Wasserfall in Herbstlicht und der «Abendstille» in Organeton stehen der Nachthimmel und das blaue Gefieder der Krontaube gegenüber.
Neben den Leinwänden und Holztäfelchen werden Aquarelle gezeigt. Eine Serie zeichnet sich durch monsterartige Tierfiguren aus, die ein kleines Wesen mit sich führen. Schützen sie das Innere oder tragen sie eine Innenwelt mit sich davon? Sind sie böse oder lieb? Das Fliessen der Aquarellfarbe verleiht den Tierwesen zusätzlich Dynamik und Leichtigkeit.
Eine weitere Serie spielt mit dem Schwung des Pinsels und lässt Kreise, Wirbel und kleine Kugeln aufs Papier gleiten. In abstrakten Kompositionen wachsen diese Kreisformen zu ornamentalen Gebilden. Sie greifen bekannte Formen aus bestehenden Bildern auf, entheben diese aber der Narration und führen so in eine neue Richtung.
Irene Bisang ist eine Sammlerin. Neben Motiven, Postkarten und Bildern sammelt die Künstlerin auch Objekte. Ihre Fundstücke zeigt sie in einer Auslegeordnung im Dachstock zwischen weissen Schleiern, Koffern und Holzkisten. Die Lichtstimmungen verleihen der Assemblage ein reflexives und zugleich magisches Moment.
Ein wiederkehrendes Motiv in den Gemälden, Aquarellen und Sammlungsstücken sind Kugeln, Kreise, Erbsen, Murmeln. Meist zeugen sie auch von einer spezifischen Lichtwirkung und Transparenz. Die Kugelformen verdichten sich in der Ausstellung unter dem Titel «Whirled Peas», was sowohl den Strudel als auch die unscheinbare Erbse miteinander verbindet. In der Aussprache gleich lautend verschiebt sich die Bedeutung des Titels zu «world peace». Gerade diese Vieldeutigkeit ist für die Bildwelt von Irene Bisang charakteristisch.
Text: Annamira Jochim
Bilder: Ralph Kühne